Nennen wir es… “Benefizabend”
Was würde die Möglichkeit eines kostenlosen Schwangerschaftsabbruchs für Frauen mit geringerem Einkommen verändern? Was für unsere Gesellschaft?
Wir nähern uns an diesem Abend dem Thema Schwangerschaftsabbruch und seiner Stigmatisierung an. Philosophisch, künstlerisch, wissenschaftlich und auf der Ebene persönlicher Erfahrungen.
Wir fragen Podium und Publikum nach der (Un)Leistbarkeit eines Schwangerschaftsabbruchs und den Folgen.
Als Eintritt bitten wir um eine Spende in freiwilliger Höhe und um die (anonyme) Meinung des Publikums.
Feature zur Veranstaltung:
Zusammenfassung:
Ein Hauch von Desinfektionsmitteln macht bewusst, dass es sich hier um eine medizinische Einrichtung handelt. Die Türglocke mischt sich mit traditionellen Klängen aus Ziehharmonika und Mundartjodler. Die „Vaginas im Dirndl“ beenden gerade ihren Soundcheck. Sie werden den Abend mit humorvollen Texten zu sexueller Aufklärung, weiblicher Lust und Geschlechterklischees einleiten. Draußen dringen Weihnachtslieder und Punschgeruch über die Fahrbahn des Mariahilfergürtels zu uns herüber. Einer der Polizeibeamten vor Ort erklärt, dass es sich bei dem Grüppchen um eine Kundgebung handelt, bei der heute vor der Klinik gemeinsam gebetet werden soll…
Am 17. Dezember fand in der Gynmed, einer Klinik für Schwangerschaftsabbrüche, eine künstlerische Intervention mit Podiumsgespräch statt. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Verein für praxisnahe Philosophie in Zusammenarbeit mit dem Leiter der Klinik, Dr. Christian Fiala.
Als Gedankenexperiment wurde die Veranstaltung im Namen einer Benefizveranstaltung aufgezogen. Sie soll Teilnehmende zum Nachdenken über die Sinnhaftigkeit einer Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch die Gesellschaft (also die Krankenkassen, wie in vielen westeuropäischen Ländern üblich) anregen. Das Thema wird damit auf die Ebene einer direkten, persönlichen Entscheidung heruntergebrochen und theoretische Zugänge werden praktisch erfahrbar gemacht.
Wie oft, bei Veranstaltungen des Vereins, wurde auf interaktive Elemente und die Einbindung des Publikums Wert gelegt. Zuhören, reflektieren, selber denken und Position zu beziehen waren auch diesmal gefordert. Durch Zwischenfragen und eine Abstimmung nach der Veranstaltung wurden generelle Meinungsverhältnisse im Publikum sichtbar gemacht. Gerade weil dieses Thema emotional und ideologisch so aufgeladen ist, sind in diesem Bereich sachliche Diskussionen oft unmöglich. Genau dies wollte die Veranstaltung aber trotz ihrer provokanten Aufmachung sein, eine ernsthafte Auseinandersetzung abseits einer moralischen Grundsatzdiskussion. Die Frage des Abends war schlussendlich folgende: Einer Frau, die sich gerade in prekären Verhältnissen befindet, werden die finanziellen Kosten für den Schwangerschaftsabbruch abgenommen. Soll diese Frau das erfahren, bevor sie eine endgültige Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch getroffen hat? Oder soll sie erst nach dem Abbruch erfahren, dass keine finanziellen Kosten für sie anfallen werden?
Rund um diese Fragestellung führte Lisz Hirn ein Gespräch mit den PodiumsteilnehmerInnen. Die Künstlerin Katharina Reich, die Soziologin Laura Wiesböck und der Gynäkologe Christian Fiala ließen Fachwissen und persönliche Erfahrungen genauso einfließen, wie die jeweiligen Positionen, die sie in ihren und durch ihre Fachgebiete einnehmen.
Nicht in allen Fragen während des Abends war sich das Publikum so einig wie in dieser letzten Frage. Ausnahmslos alle abgegebenen Stimmen am Ende der Veranstaltung stimmten für das Wissen über den kostenfreien Abbruch VOR der Behandlung.
Wir bedanken uns auf diesem Weg noch einmal bei den Teilnehmenden des Podiums für ihre Offenheit und ihre Expertise und bei den Musikerinnen für ihre spitzen Zungen und großartigen Kehlen. Für die Möglichkeit, diese Veranstaltung an diesem speziellen Ort über die Bühne gehen zu lassen, möchten wir uns ganz herzlich bei Christian Fiala und dem Team der Gynmed, sowie allen bedanken, die im Vorfeld und/oder am Abend mitgewirkt haben.
Besonderer Dank gilt jeder einzelnen Person im Publikum, die durch Interesse, Empathie oder kritischen Fragen zu diesem Gespräch wesentlich beigetragen hat. Mut zusprechen möchten wir all jenen, die eine andere Meinung hatten, und sie nicht öffentlich in das Gespräch eingebracht haben. Das direkte Gespräch eröffnet viel mehr, als hinterher im Internet möglich ist. Dafür stehen wir in diesem Verein.
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MUVS Das Museum widmet sich seit 2003 den heiklen Themen rund um Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Es bereitet diese Tabu-Bereiche dokumentarisch und wissenschaftlich auf.
www.muvs.org
Vaginas im Dirndl Unverschämt freche Aufklärung für Erwachsene, Musikkabarett
www.vaginasimdirndl.com
Foto Frontseite Katharina Reich, “Menstruationsblut ”
Eine Arbeit aus dem Zyklus “Narbenkatharsis”, 2017
www.katharinareich.com